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Mit dem Moped durch den Dschungel

Kunde:
Eigenproduktion für Rabbit and Wolf und in Kooperation mit www.fundriding.de

Aufgabenstellung:
Reisebericht Kambodscha

Unsere Leistungen:
Texterstellung / Tourguide / Fundraising

 

Koh Chang, Dezember 2015:
Sebastian B. (Name von der Redaktion nicht geändert) treibt im Golf von Thailand in einem Kajak, der Blick Richtung kambodschanische Grenze. Genau zur gleichen Zeit fährt eine Truppe, bestehend aus 5 Personen, mit ihren Mopeds auf Koh Kong zu – fast in Sichtweite. Beide Parteien wissen zu dem Zeitpunkt noch nichts voneinander.

Bad Tölz, Januar 2016:
Sebastian B. vertreibt sich die Zeit zur Abwechslung mal wieder auf einem relativ bekannten Videoportal (nein, nicht das, was du jetzt denkst…). Im Fokus einmal mehr der Kanal der „Grip Bike Edition“. Fast zufällig wird auf das neueste Video geklickt. RTL2-Moderator und Motorradrennfahrer Jens Kuck erzählt die Geschichte seiner Mopedtour durch Kambodscha. Moment mal… Mopete? Dschungel? Asien? Guter Zweck?

Wieder Bad Tölz, Februar 2016:
Sebastian B. erhält eine Nachricht mit der Bitte zu einem Telefontermin. Die Mail kommt von keinem Geringeren wie Roland Debschütz, Geschäftsführer des „Kleine Hilfsaktion e.V.“, ehemaliger Motorradrennfahrer und Pilot des Benefiz-Renntaxis. Agenda des Termins ist ein Kennenlernen vor einer eher unkonventionellen Reise. Ja, du gehst recht in der Annahme: Mopete! Dschungel! Asien! Guter Zweck!

„Fundriding“? Was hat es damit auf sich?
Um es kurz zu machen – was verdammt Gutes hat es damit auf sich! Du kennst doch noch die Läufe in der Schule für den guten Zweck, oder? Falls nicht, das läuft in etwa so ab: Die Kids laufen zum Beispiel durch den Stadtpark. Das machen sie so lange, bis ihnen die Puste ausgeht, sie knallrot anlaufen oder sich das Nutella-Brot vom Frühstück den Weg zurück ans Tageslicht sucht. Für jede gelaufene Runde spenden Oma, Opa, Mama, Papa, Tante, Onkel einen gewissen Geldbetrag. Das gesamte Geld aller Spender wandert in einen Topf und geht an eine soziale Einrichtung oder an gemeinnützige Projekte.

Mit dem „Fundriding“ ist es nicht viel anders. Die Teilnehmer, zwölf an der Zahl (plus zwei deutsche und zwei kambodschanische Guides, einem Arzt und einem Vandriver), fahren mit landestypischen Scootern rund 1300 km quer durch das Land. Pro gefahrenem Kilometer hat jeder Fahrer Sponsoren im Wert von mindestens 1 € im Gepäck – und einen Rollstuhl – dazu aber später mehr. Nach dem Ende der Tour wird von jedem Teilnehmer die genaue Distanz ermittelt und mit seinen Sponsorengeldern multipliziert. Alles wandert in einen Topf. Die Gelder werden dann für soziale Projekte vor Ort eingesetzt. Von der Notfallhilfe, über Augen-OPs bis hin zum Bau von Schulen oder sanitären Anlagen. Ach, übrigens zahlt jeder Teilnehmer alle, wirklich alle Reisekosten aus eigener Tasche! Finden wir das gut? Und wie wir das gut finden!

Einen roten Kopf bekommt man bei den Temperaturen genauso wie die Kids im Stadtpark. Das mit dem Frühstück ist, wenn überhaupt, eher auf das ein oder andere Bier zu viel oder die hygienischen Zustände eines Dritte Welt Landes zurückzuführen.

Siem Reap, Dezember 2016:
So eben endete für Herrn B. die Reise seines Lebens. Er gab damals ein Versprechen: „Kambodscha – ich komme wieder!“ Aber nächstes Mal muss eine ganz besondere Person mitkommen…

Schon wieder Bad Tölz, März 2018:
Isabell B. (Name der Redaktion nicht geändert) und Sebastian B. sitzen auf ihrer Couch, nichts Böses im Sinn. Das Telefon klingelt. Eine bekannte Stimme ist zu hören. Nach 2016 ist der Kontakt zu Roland nicht abgebrochen – ganz im Gegenteil! Roland erzählt von der Tour im Februar. Man macht Witze, lacht, man hat eine gute Zeit. Dann passiert es: Sebastian B. ist einen kurzen Moment abgelenkt. Kurz darauf hört man von Frau B. nur ein: „Ja, klar sind wir dabei!“ Hä? Was? Wie? Richtig, spontan wurde in diesem Moment die Zusage für die anstehende Tour im Dezember 2018 ausgesprochen. Da war klar – diese ganz besondere Person ist dieses Mal mit an Bord – geiler Sch***!

Bangkok, November 2018:
Nur noch dreimal schlafen, und es geht mit dem Van frühmorgens an die kambodschanische Grenze. Noch etwas Zeit, um sich am Pool zu entspannen und sich von einer der aufregendsten Städte der Welt aufsaugen zu lassen. Zeit um sich gedanklich schon einmal auf eine der emotionalsten Reisen seines Lebens einzustimmen.Einen Abend vor dem Grenzübertritt treffen wir zum ersten Mal auf die Mitfahrer. Man sieht bekannte Gesichter von der ersten Tour 2016 – Freunde. Ein schönes Gefühl!Dieses Mal darf Sebastian als Tourguide die Truppe begleiten und Isabell sich, als Teilnehmerin, eines der schönsten Länder der Welt zeigen lassen.

Battambang, Dezember 2018:
Nach einer sechsstündigen Fahrt bis zur Grenze, einer Einreise zu Fuß und der Weiterfahrt von zwei Stunden sind alle gesund in Battambang angekommen. Warum fliegt man nicht einfach die eine Stunde von Bangkok nach Kambodscha? Ganz einfach: Erstens liegt die Partnerorganisation des Kleine Hilfsaktion e.V. in Banan. Der nächste Flughafen liegt nicht unbedingt um die Ecke. Und zweitens ist eine Einreise in ein Dritte Welt Land etwas, dass man auf diese Art einfach ganz anders wahrnimmt – im Positiven!

Jetzt ab in den Pool – haha, guter Witz! Wir sind nicht nur zum Vergnügen hier, sondern haben eine Mission! Daher erst einmal Gepäck ausladen, zurück ins Auto und ab nach Banan – Übergabe der Mopeten. Auf dem Rückweg ins Hotel noch kurz ein kleines Sicherheitstraining. Klar, mit kaum zu bändigenden 15 Pferdestärken kommt jeder Teilnehmer an sich schon klar. Aber die Halbautomatik und die Besonderheiten des kambodschanischen Straßenverkehrs kennt eben doch noch nicht jeder. Safety first! Aber jetzt – der Pool und das Bier ruft.

Die kommenden zwei Tage machen wir auf unseren Mopeds das Umland von Battambang unsicher. Hätten wir Lederkutten an, man könnte uns glatt für eine Motorradgang halten. Naja, dafür haben wir eben alle die gleichen Helme auf der Rübe – zählt auch. Und zwischen gefühlten drei Millionen anderen Rollern fällt man nicht mal als Fremder wirklich auf. Auf dem Plan stehen die Besichtigung verschiedener gemeinnütziger Projekte, der Besuch eines Tempels, einer Schule und der ortsansässigen Hilfsorganisation.

Der Weg führt uns weiter nach Pursat. Nach einer aufregenden Fahrt über die National Road kommen alle sicher im Hotel an. Hört sich unspannend an? Alles über 70 km/h ist hier schon schnell. Außer natürlich LKW. Die knallen gerne mit einem Abstand an einem vorbei, dass man gerade noch eine Briefmarke zwischen Lenkerende und deren Reifen durchwerfen kann. Gemischt mit hunderten von Hunden und Kühen, langsamen Mopeten und Verkaufsständen, welche zum einfacheren Shopping direkt an den Straßenrand gezimmert wurden, eine durchaus interessante Etappe.

In Pursat erwartet jeden Mitreisenden eine ganz besondere Erfahrung. Die Übergabe des Rollstuhls. Welchen Rollstuhl? Den Rollstuhl, den jeder in Deutschland auftreiben musste und ihn eigenhändig bis in das Hinterland von Kambodscha transportiert hat. So will es das „Fundriding-Gesetz“! Und man gibt den nicht einfach so irgendwo ab – nein, jeder lernt persönlich die Person kennen, welcher dieser ein neues Leben schenken wird. Wir wollen nicht zu viel verraten – aber dieser einmalige Moment bewegt sich irgendwo zwischen Lachen, Freude, Tränen, Umarmungen und noch vielem mehr. Eigentlich alles auf einmal. Man braucht lange, diese Situation einordnen zu können. Verändert so etwas eine Person? Definitiv! Und das ist auch verdammt nochmal gut so!

Wird es ab sofort weniger emotional? Oh nein! Vor der Weiterreise sind wir noch zu einem Schulfest eingeladen. Aber nicht irgendeine Schule. Sie wurde von der Kleinen Hilfsaktion gebaut und bietet nun 269 Kindern eine neue Perspektive. Klingt nicht besonders? Wenn einen über 200 Kinder mit lachenden Gesichtern und selbstgebastelten Willkommensgeschenken freudig erwarten und man erst einmal gar nicht von seiner Mopete kommt, weil jeder Schüler einen persönlich begrüßt und einen Eintrag ins Freundschaftsbuch einfordert, dann fühlt man sich gleich wie ein Prominenter. Aber das ist erst der Anfang eines großartigen Abends. Leckeres Essen, einstudierte Aufführungen, einzigartige Gespräche und eine Party, die ihresgleichen sucht. Oh ja, die kleinen Kids wissen, wie man Spaß hat. Unsere eher zurückhaltende Gesellschaft käme mit so viel Lebensfreude gar nicht klar. Ein Freudentaumel, der einen sehr, sehr lange durchs Leben begleitet!

Leider müssen wir uns am darauffolgenden Tag von Pursat verabschieden. Jetzt beginnt das „Große Kilometer-Machen“. Und auf den folgenden 1000 Kilometern werden wir so viele großartige Begegnungen haben, eine wunderschöne und atemberaubende Landschaft genießen dürfen und das Beste: Mit jedem einzelnen Meter kommt immer mehr für die Hilfe vor Ort zusammen. Wann hat man schon mal diese wirkliche Win-Win-Win-Situation? Richtig, wenn man sich einfach einmal auf etwas einlässt und seinem Herzen folgt!

Von Pursat geht es weiter Richtung Veal Veaeng. Eine Mischung aus Red Road und mittlerweile auch geteerten Straßen. Verkehr? Fehlanzeige! Einfach treiben lassen. Die Umgebung in sich aufsaugen. Auf dem Moped für sich sein. Das bis dato Erlebte verarbeiten.

Nach einer Nacht sitzen wir wieder im Sattel. Ab nach O’Soum. Du wolltest schon immer einmal wissen wo die Mad Max Filme gedreht wurden? Also von der Kulisse her, hier. Mehr Endzeit geht wohl kaum – einfach genial! Die Etappe ist fahrerisch die anspruchsvollste, aber auch schönste. Sie führt die Truppe direkt durch den Dschungel in das Kardamom-Gebirge. Davon kann man nicht genug bekommen. Außer vielleicht der Vandriver. Der hat es bei den Straßenverhältnissen leider nicht so leicht, das Ersatzmoped und das Gepäck an das Etappenziel zu bringen. Aber es gibt leider keinen anderen Weg.

Nach O’Soum führt uns die Route runter ans Meer. Genauer gesagt nach Koh Kong. Sind wir mal ehrlich – so langsam findet das Hinterteil den Ritt auch etwas strapaziös und lechzt nach einer Pause. Und wo kann man sich besser ausruhen als auf einer fast einsamen Insel. Robinson Crusoe wäre wohl ein wenig neidisch auf uns. Aber es hilft ja nichts – da müssen wir jetzt durch. Also rauf aufs Boot, Füße hoch und sich die kommenden drei Stunden die warme Brise um die Nase wehen lassen. Und nach der Ankunft? Ein verlassener Strand, ein paar Bambushütten, kein Wlan, kein Fernseher. Dafür absolute Ruhe und ein kalter Drink. Was soll man sagen – das Leben kann so schön sein!

Geweckt durch das Meeresrauschen steht uns ein Tag voller Ruhe bevor. Ein bisschen Schwimmen, Lesen, die Insel erkunden, einfach mal nichts tun. Die Knochen danken es einem.

Aber nur am Strand liegen bringt auch keine Sponsorengelder ein. Also geht es nach einer weiteren Nacht im Paradies wieder zurück an Land und ab auf den Bock. Weiter nach Kep. Eingemietet haben wir uns in den Hügeln, über dem Meer, direkt in einer Pfefferplantage. Notiz am Rande: Hier kommt der angeblich beste Pfeffer der Welt her. Wenn also jemand wieder sagt: „Geh doch dahin, wo der Pfeffer wächst!“ – Pack die Koffer und mach‘ dich auf den Weg. Es erwarten dich eine atemberaubende Natur, das Meer, wunderbare Menschen (Ok, die findest du im ganzen Land…), großartiges Essen und der berühmte Krabbenmarkt. Es gibt viel zu sehen.

Also am nächsten Morgen ab aufs Moped und erst einmal eine Pfefferplantage besuchen und die Vorräte für zuhause sichern. Danach Kilometer machen. Ab ans Meer und auf den Krabbenmarkt. Und weiter vorbei an alten Villen aus der Kolonialzeit. Durch kleine Dörfchen. Man kann einfach nicht genug von diesem Land bekommen!

Am nächsten Tag erwartet uns die letzte Etappe auf dem Moped. Kep – Phnom Phen. Fahrerisch nicht ganz einfach, da der Verkehr immer chaotischer wird je näher wir der Hauptstadt kommen. Spannend ist es trotzdem. Und wieder einmal jeder Kilometer voller Eindrücke.

Wir haben es geschafft! Fast 1500 Kilometer saßen wir im Sattel. Ein Trip voller Erfahrungen, Begegnungen, Emotionen. Und der absolute Wahnsinn ereilt uns kurz darauf: Wir haben einmal grob die gefahrenen Kilometer überschlagen und mit den Sponsorengeldern verrechnet – 75.000€! So muss sich Reinhold Messner nach seinem Aufstieg auf den Mount Everest gefühlt haben. Das setzt dem riesigen Eisbecher noch die dicke, fette Kirsche oben auf. L*** uns am A**** – mit so einer Summe hat keiner gerechnet – Rekord!

Mit dem Wissen im Gepäck, die Welt ein bisschen besser gemacht zu haben, macht sich die gesamte Truppe mit dem Bus einen Tag später auf den Weg nach Siem Reap. Die Tour endet hier offiziell. Leider kommen wir 2018 nicht in den Genuss den Tonle Sap mit dem Boot zu überqueren, wie es eigentlich Tradition ist. Der zu geringe Wasserstand verwehrt uns leider die fünfstündige und atemberaubende Überfahrt. Dafür überrascht uns der super nette Fahrer immer wieder mit Nahtod-Erfahrungen, dank seiner halsbrecherischen Überholmanöver. Unsere Reaktionen sorgen bei ihm für die hellste Freude und ein Lachen aus tiefsten Herzen – cooler Typ!

Für Isabell B. und Sebastian B. geht es nach einer Nacht weiter nach Bangkok. Noch zwei Tage Zeit das Erlebte zu verarbeiten und auf den Erfolg der Tour, auf der Khao San Road, anstoßen zu können.

Hier begann die Reise und hier endet sie. Zumindest für das Jahr 2018.

Denn wir haben ein Versprechen gegeben: „Kambodscha, unser Freund, wir kommen wieder!“