Rabbit and Wolf meets Portugal

Wenn du die Wahl hast, die ruhige Zeit, die nie eine ruhige Zeit ist, im tristen Deutschland zu verbringen, oder bei rund 20 Grad am Atlantik deinen Hintern auf Motorräder schwingen kannst, für was würdest du dich entscheiden?

Wir haben uns dazu entschieden zu flüchten und haben uns nach Weihnachten auf den 2700 Kilometer langen Weg an die Algarve gemacht. Aber Rabbit and Wolf wäre nicht Rabbit and Wolf, wenn wir da zum Biersaufen, Schlafen und Rumlungern hingefahren wären. Der Plan war ein anderer: Mopete- und Endurofahren standen auf dem Plan. Ok, ein Bier haben wir uns auch mal gegönnt und auch am Strand sind wir mal gelegen. Aber nicht lange – wirklich nicht!

Aber von vorne…

Nach der Abholung des Spießerkombis bei einer namhaften Autovermietung begann der 25 Std. lange Ritt gen Südwesten, reine Fahrzeit versteht sich. Warum ne Mietkarre? Ganz ehrlich, unsere Autos sind uns einfach zu schade innerhalb von 10 Tagen, allein für den Hin- und Rückweg, knapp über 5000 Kilometer drauf zu eiern. Warum nicht fliegen? Weil wir unser Feelgood-Management mit dabei hatten – Betriebsausflug eben. Und die Vierbeiner wissen den Komfort im Gepäckraum eines Airbus dann doch nicht so sehr zu schätzen. Auch, wenn man die meiste Zeit auf der Autobahn verbringt, auf einer Tour durch sechs Länder bekommt man so schöne Eindrücke und Momente, die einem in einem 45 Zentimeter breiten Sitz, zwischen einem kreischenden Kind und einem schwitzenden Touristen, einfach verwehrt bleiben. Roadtrip-Feeling macht einfach Laune!

Nach zwei Tagen auf der Straße und einer Nacht in Frankreich sind wir dann auch schon in Vale da Telha angekommen. Einem traumhaft schönen Ort direkt am Meer. Also erstmal die paar Meter zu den Klippen gelatscht und den Blick genießen.

Der kommende Tag stand dann erstmal unter dem Motto „Ankommen und den wunden Arsch schonen“ (durchs Sitzen im Auto, nicht das, was du wieder denkst…).

Dann wurde aus der Ruhe aber endlich wieder etwas Action. Die Kurven der leergefegten Landstraßen wollten wir ja eh erkunden. Dass wir dann aber zufällig beim Besuch bei Colin von Enduro Portugal davon erfahren haben, dass sie jetzt auch 690er Dukes rumstehen haben, war ein absoluter Glücksfall. Eigentlich waren wir „nur“ für die Vorbesprechung der anstehenden Endurotour bei ihm in der Lodge. Aber so haben wir nicht nur die Chance auf brandneue Bikes bekommen, sondern auch gleich einen granatenmäßigen Tourentipp.

Also am nächsten Morgen direkt mal die 2 Kilometer runter nach Arrifana und in der Living Lodge Mopete holen, Helm auf die Birne und ab auf die Landstraße. Wir haben den 31. Dezember und dezente 19 Grad. Da kann doch schon mal nix schief gehen. Die erste Überraschung folgt nach dem Warmfahren. Die Karre geht erstaunlich gut vorwärts! Nach dem Ortsausgang warten schon die ersten Kurven. Und so soll es weiter gehen. Über Aljezur geht es weiter hoch in die Berge. Der Asphalt hat ein Gripniveau, dass man sonst fast nur von der Rennstrecke kennt. Quält den Reifen zwar mehr, aber dann hätte er eben kein Reifen werden sollen. Augen auf bei der Berufswahl…

Verkehr? Fehlanzeige! Also wirklich Fehlanzeige. Innerhalb der nächsten Stunde vielleicht zwei Autos, die einem entgegenkommen und zwei überholt. Dafür eine Kurve an der anderen. Von langgezogen zügig zu fahrenden bis hin zu Spitzkehren, die man im ersten Gang nehmen muss. Durch kleine landestypische Ortschaften geht es weiter auf den Serra de Monchique, der höchste Gipfel an der Algarve. Hier kann man gar nicht anders, als eine Pause einzulegen und den atemberaubenden Blick zu genießen. Es erwarten einen ein freier Blick über die Täler bis raus auf den Atlantik. Davon kann man nicht genug bekommen. Zum Glück ist zu dieser Jahreszeit auch so gut wie nix los und man wird nicht von dutzenden Reisegruppen niedergetrampelt.

Aber es warten ja noch mehr Kurven. Also rauf auf den Bock und die Serpentinen runter nach Monchique genießen. Von da aus geht es zurück nach Marmelete und rechts weg ins Hinterland. Die Hinfahrt war schon kurvig und ohne Verkehr. Aber was ist das denn? Da kann man sich das kindliche Lachen nicht mehr verkneifen. Mehr Kehren kann man in einen Kilometer echt nicht mehr reinpacken. Die nächste Stunde geht es durch eine wunderschöne Landschaft und durch eine andere Welt. Kein einziges Auto, kein einziger Mensch. Nur von einer Schräglage in die andere, bis einem schwindelig wird. Mehr geht nicht! Hier fühlt sich die Duke wirklich wohl. Mehr Leistung braucht man hier wirklich nicht. Das fahrradähnliche Handling, gepaart mit dem drehmomentstarken Einzylinder gehören genau hier hin. Da spannt dir einfach die Fresse, vor lauter Grinsen. Über S.Teotónio und Aljezur geht es als Abschluss noch an den Praia da Bordeira auf ein kleines Bierchen am Meer, die Eindrücke verarbeiten und den Sand unter den Füßen genießen.

Einen Tag später steht der 01. Januar auf dem Display des Mobiltelefons. Also ab an den Strand und die Ruhe genießen. Auch die Hunde sollen doch mal was von ihrem Urlaub haben und den menschenleeren Strand umgraben. Und mit menschenleer meinen wir menschenleer. Wir sind tatsächlich die einzigen. Könnte an der Jahreszeit liegen, aber auch daran, dass man sich erst einmal einen Weg von der 40 Meter hohe Klippe runter suchen muss. Aber die Suche und der umständliche Weg lohnen sich.

2. Januar 2020, Termin mit Enduro Portugal in Arrifana. Auf uns warten neben Colin und Jochen auch picobello gewaschene 450er KTMs. Wer mit den Jungs Runden durch den Dreck drehen möchte und keine eigene Ausrüstung im Handgepäck hat, der bekommt auch saubere Klamotten und Protektoren, die, wie die Mopeten, tip top in Schuss sind. Man muss sich also keine Gedanken machen, dass man danach mit peinlichem Ausschlag einen Besuch beim Dermatologen vor sich hat.

Nachdem wir uns in unseren feinen Zwirn geschmissen haben und auf dem Hobel sitzen geht es los. Ab ins Unterholz. Insgesamt zu fünft (inkl. der beiden Guides) sind wir fahrerisch vom Fahrkönnen im Gelände etwas gemischt. Aber keiner muss sich Sorgen machen, dass einer zu kurz kommt, oder aber überfordert wird. Erstens hat Portugal zum Endurofahren ein Angebot von Sightseeing bis hin zu masochistischer Hardenduro-Selbstvernichtung, zweitens kennen Colin und Jochen die Strecken wie ihre Westentasche, drittens wird auf jeden so viel Rücksicht genommen, dass keiner über seinen Grenzen fahren muss. Wer Bock hat kommt ins Schwitzen, wer es ruhiger angehen lassen will, der hat immer wieder die Chance die Landschaft zu genießen und Wetten abzuschließen, ob sich die anderen auf die Fresse legen. Oder man legt sich in den Dreck, wenn keiner hinsieht. Eine Variante, die wir bevorzugen.

Aber auch, wenn man es krachen lassen will, den leckeren Kaffee und das reichhaltige Mittagessen lässt sich keiner entgehen. Allein schon die Umgebung in den kleinen Ortschaften entführt einen in eine andere Welt. Es erinnert einen irgendwie an einen Film oder ein Videospiel.

Nach dem Mittagessen erwartet uns ein besonderes Highlight – ein Teilstück der SIXDAYS Portugal 2019. Fahrerisch gar nicht so einfach, merkt man hier erstmal, was die Fahrer auf der Rally leisten müssen. Da bleibt wenig Zeit sich die schöne Umgebung mal anzusehen. Zum Glück sind wir nicht gezwungen 300 Kilometer pro Tag durch den Wald zu ballern, sondern können auch mal einen Stop einlegen und das ein oder andere Foto machen. Vor allem nachdem die Landschaft so viel zu bieten hat. Von Bergen über Wälder bis runter ans Meer. Und das ist schon ein sehr außergewöhnlicher Anblick, wenn man mit der Enduro aus dem Wald kommt und auf einmal den Atlantik vor sich hat. In Kombination mit der Einsamkeit, die man stundenlang im Gelände genießen kann, eine unfassbar geile Mischung. Nach diversen Ausritten im Gelände in unterschiedlichen Ländern müssen wir sagen: Portugal ist bis dato unser persönlicher Favorit.

Nach dem Ausritt an den Strand machen wir uns auf den direkten Weg zurück in die Lodge. Es wird schon dunkel und man kann das Bier schon riechen. Den Gedanken scheint jemand gehört zu haben. Kaum runter vom Bock fällt der Blick direkt auf fünf gekühlte hopfenhaltige Getränke, die schon sehnlichst darauf warten von uns vernichtet zu werden. Also mehr Service und Einfühlungsvermögen der Guides kann man doch nicht mehr erwarten – einfach traumhaft! Der gesamte Tag hat sich keine Sekunde nach einer geguideter Tour angefühlt, sondern einfach ein Tag im Unterholz mit Freunden. So, wie es sein sollte!

Nun haben wir leider nur noch einen Tag, bevor wir uns wieder auf den Rückweg machen. Bis dato stand der Trip, neben den Kilometern auf der Autobahn, unter dem Stern der Zweiräder. Nachdem wir ja prinzipiell alles lieben, was Sprit verbrennt (sorry Greta!), dürfen vier Räder nicht ganz vernachlässigt werden. Glücklicherweise befindet sich das Autódromo Internacional do Algarve nur 35 Minuten Fahrzeit entfernt. Neben der Rennstrecke und einem Offroadpark findet man hier auch eine Kartbahn. Nicht so Teile mit summendem Geräusch aus dem E-Motor eines Thermomix, sondern wie man es sich vorstellt – Benzingeruch, Sound, Emotion und Druck! Die Anfahrt ist schon fast etwas verrückt. Man fährt die letzten 15 Minuten durch das einsamste Hinterland. Mit Straßen voller Schlaglöcher und fernab der Zivilisation. Kommt man über die letzte kleine Kuppe öffnet sich die Landschaft und man fährt direkt auf ein riesiges Rennareal zu. Damit rechnet man so gar nicht.

Bei Ankunft hört man von der Renne schon den Klang der Motorräder. Nur haben wir leider keine Mopeds für die Strecke im Handgepäck und ohne Buchung bekommt man auch nicht einfach spontan Zugang. Aber das war ja auch nicht der Plan.

Nach der Anmeldung und dem Einkleiden geht es auch schon auf die Strecke. Hier zeigt sich mal wieder der Vorteil der Jahreszeit – nix los! Nach kurzem Briefing des Streckenverlaufs war es Zeit für Turn No. 1. 15 Minuten Knallgas! Ganz ehrlich – für die Unterarme reicht die Zeit am Stück auch aus. Daher erstmal eine kurze Pause in der Box. Zufälligerweise stand auf einem Teil der Strecke das Training der Profis an. Daher kamen wir in den Genuss, dass der Streckenverlauf für den zweiten Turn verändert wurde. Wir müssen sagen, großer Vorteil! Zwar war die Strecke nun knappe 500 Meter kürzer, dafür fiel die lange Zielgerade und eine weitere lange Gerade weg, auf dem die Karts eh an ihre Grenzen kamen. Somit nur noch eine Kurve nach der anderen. Sorgte zwar für mehr Belastung der Hände und Arme, aber gleichzeitig auch für noch mehr Spaß.

Als Rehabilitation half dann der Kaffee mit Blick in die Berge und auf die Rennstrecken, begleitet vom Sound der Sportwägen, die die Rennmopeds mittlerweile auf der Hauptstrecke abgelöst haben. Danach heißt es wieder ab in den Pampersbomber und zurück Richtung Praia de Monte Clérigo auf ein landestypisches Sandwich.

Am darauffolgenden Tag war es das leider schon wieder mit der kurzen Auszeit – das Büro ruft… Bedeutet, nach dem Packen und Einladen wieder 2688 Kilometer zurück in die Heimat. Zeit die Tage Revue passieren zu lassen, im Kalender nachzuschauen, wann man wieder runterfährt und sich Gedanken zu machen, ob man mal nachdenken sollte, ein zweites Büro am Atlantik zu planen. We will see!

PS: Noch einmal vielen Dank und viele Grüße an Colin und Jochen!
Stellt schon mal die Mopeten parat und das Bier kalt – wir sind bald wieder da!